Ernährungsempfehlungen
Was sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung?
Mein Rat vorweg: Vertraue den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), aber sei skeptisch gegenüber selbsternannten Ernährungsexpert:innen, etwa in den sozialen Medien. In den DGE-Empfehlungen steckt viel Wissenschaft, Arbeit und Sorgfalt. Als Fachgesellschaft hat die DGE den Auftrag, Ergebnisse wissenschaftlicher Studien auszuwerten und darauf basierend Ernährungsempfehlungen für die deutsche Bevölkerung abzuleiten. Dass sich diese Empfehlungen mit der Zeit ändern, ist klar. Wissen nimmt zu, neue Studien bringen neue Zusammenhänge ans Licht, die Zeiten ändern sich. Im März 2024 hat die DGE ihre Empfehlungen aktualisiert.
Was ist neu?
Den aktualisierten Ernährungskreis und die neu formulierten Empfehlungen findest du ansprechend gestaltet auf der Webseite der DGE (dge.de). Es lohnt sich, mal reinzuklicken, denn hier gibt es für Interessierte noch viele weitere Infos. Neu ist vor allem, dass mit den Empfehlungen mehrere Ziele gleichzeitig angestrebt werden: eine optimale Nährstoffzufuhr, die Vorbeugung ernährungsabhängiger Krankheiten und der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und dann soll das Essen auch möglichst vielen Menschen schmecken. Der neue Ernährungskreis zeigt: Der Anteil von Gemüse und Obst sollte rund die Hälfte der Lebensmittel ausmachen, 5 Portionen bzw. 500 bis 600 g pro Tag. Hülsenfrüchte und Nüsse haben ein eigenes Kreissegment erhalten. Damit haben sie den Platz, der ihnen in einer nachhaltigen Ernährung rechtmäßig zusteht. Mindestens 1 Portion Hülsenfrüchte pro Woche und 1 Portion Nüsse pro Tag sollten es sein. Der Anteil der tierischen Lebensmittel ist gegenüber früheren Empfehlungen kleiner geworden. Milch und Milchprodukte 2 Portionen täglich (früher 3), Fisch 1-2 mal pro Woche (unverändert), Fleisch max. 300 g pro Woche (früher max. 600 g), 1 Ei pro Woche (plus Eier in Kuchen oder Nudeln). Es gibt im Ernährungskreis ein kleines Segment für Fette und Öle; empfohlen werden besonders Rapsöl und daraus hergestellte Margarine. Süßes, Salziges und Fettiges haben keinen Platz. “Besser stehen lassen” lautet hier die Empfehlung. Gleichzeitig gilt: Es gibt Raum für kleine „Extras“ wie Süßigkeiten oder Knabbereien. Es ist nichts dagegen einzuwenden, diese Lebensmittel gelegentlich in kleinen Mengen zu genießen. Eine Ernährung ohne Fleisch halt die DGE für unbedenklich.
Was ist mit veganer Ernährung?
Vegan ist nicht automatisch gesund. Sowohl eine vegane Ernährung als auch eine Ernährung mit Milch und Fleisch kann tendenziell Ungesundes wie Weißbrot, zuckrige Getränke, Pommes, salzige Snacks und Süßigkeiten beinhalten. Es kommt auf eine gesunde, ausgewogene und durchdachte Lebensmittelauswahl an! Das und regelmäßig Vitamin B12 vorausgesetzt, zieht die DGE das Fazit: Eine vegane Ernährung ist für Erwachsene gesund. Und für den Planeten gleich doppelt. Allerdings zeigen Studien auch, dass eine stark pflanzenbetonte Ernährungsweise mit einem sehr kleinen Anteil tierischen Proteins aus nachhaltigen Quellen (z.B. 250 ml Milch aus Weidehaltung) für die Umwelt ähnlich vorteilhaft ist.Für Kinder & Jugendliche, Schwangere & Stillende, Senioren & Seniorinnen kann die DGE aktuell keine Empfehlung für oder gegen eine vegane Ernährung aussprechen. Es gibt einfach noch zu wenige aussagekräftige Studien! Wenn du dich vegan ernähren möchtest, solltest du dich von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft beraten lassen, besonders abwechslungsreich essen und B12 nicht vergessen. Hilfreich: die Gießener vegane Lebensmittelpyramide.
Was ist der Unterschied zur Planetary Health Diet?
Entwickelt von 37 Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachgebiete aus 16 Ländern, ist die Planetary Health Diet eine Art globaler Speiseplan für gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten. Die neuen DGE-Empfehlungen und die Planetary Health Diet haben viel gemeinsam. Verbraucher:innen sollten sich von den Unterschieden nicht verwirren lassen. Die Kernaussagen beider Ernährungsempfehlungen sind nämlich ganz ähnlich: Gesund und nachhaltig ist eine Ernährung, die auf Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft basiert, ergänzt um kleine Mengen tierischer Lebensmittel, mit wenig gesättigten Fettsäuren, wenig hoch verarbeiteten Lebensmittel und wenig Zucker. Der springende Punkt ist: Die Ernährung vieler Menschen in Deutschland weicht deutlich von den Empfehlungen der DGE und der Planetary Health Diet ab.
Da gibt’s noch was zu tun
Der durchschnittliche Konsum von Gemüse und Obst sollte 3 bis 4 mal höher sein. Hülsenfrüchte und Nüsse führen ein Schattendasein. Und obwohl der Fleischverzehr in Deutschland 2023 das fünfte Jahr in Folge gesunken ist, isst im Durchschnitt jede:r immer noch dreimal so viel wie empfohlen. Außerdem findet sich auch in reichen Ländern wie Deutschland Ernährungsarmut. Menschen mit geringem Einkommen können sich gesunde Lebensmittel kaum leisten. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE beauftragte ein Gutachten, das feststellte: Das Bürgergeld ist nicht mit dem Recht auf angemessene Ernährung vereinbar. Von einer gesunden und nachhaltigen Ernährung für alle (!) sind wir leider noch weit entfernt.
Engagiere dich!
Das Lebensmittelangebot wird maßgeblich durch wenige große Supermarktketten und einige einflussreiche Lebensmittelunternehmen bestimmt. Eine gesunde und nachhaltige Ernährung für alle liegt nicht in ihrem Interesse. Deshalb tun sich landauf landab engagierte Menschen in Ernährungsräten zusammen. Ihr Ziel: die Ernährungswende vor Ort ankurbeln, lokale Akteur:innen vernetzen, regionale Erzeugung & Vermarktung stärken und Druck auf die Politik ausüben. Machst du mit? Einen Ernährungsrat kannst du auch an deiner Schule gründen.
Text: Maike Nestle
Links & Infos
- Filmtipp: Gesund essen? Die Wahrheit über die Ernährungsempfehlungen der DGE
- Ernährungskreis der DGE
- Aktualisierte Empfehlungen der DGE
- Planetary Healt Diet
- Netzwerk der Ernährungsräte
- Ernährungswende jetzt!
- Ernährungspolitik lokal gestalten - Ernährungsdemokratie schaffen!
- Gießener vegane Lebensmittelpyramide
Quellen
- DGE (Hrsg): Die neuen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE. Häufige Fragen und Antworten. DGE Wissen Mai 2024, 60-62
- Breidenassel C u.a.: Einordnung der Planetary Health Diet anhand einer Gegenüberstellung mit den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE. Eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. Ernährungsumschau, 5/2022, M252-M268l
- DGE (Hrsg): Planetary Health Diet und DGE-Ernährungsempfehlungen – 5 Fragen an die Ernährungswissenschaften. DGE Blog (29.8.24)l DGE (Hrsg): Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen der DGE. Ausgewählte Fragen und Antworten. (29.8.24)
- Klug A u.a.: Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. Ernährungsumschau 7/2024; 60–84 + eSupplement