Agroforstsysteme in der Praxis
Regenerative Landwirtschaft als Hoffnungsquelle in der Dürre
Eine grüne Oase mit syntropischen Agroforstsystemen im trockenem Tal Valles Centrales
Während der weltweite Diskurs rund um die Klimakrise stark auf Kohlenstoffdioxid fokussiert ist, sind in vielen Teilen der Welt der gestörte Wasserkreislauf und die negativen Auswirkungen davon schon heute spürbar.
Auf meiner Reise durch Mexiko war ich auf der Suche nach agrarökologischen Projekten, da ich mich sehr für Zukunftsalternativen der Landwirtschaft und Permakultur interessiere. Ein Freund empfahl mir Tierra del Sol als Lernort für regenerative Landwirtschaft kennenzulernen. Der Gründer Pablo Ruiz Lavalle hat sich zum Ziel gesetzt zu zeigen, wie Landwirtschaft im Einklang mit der Natur möglich ist und dass gesunde Böden auch zu menschlicher Gesundheit beitragen. Seit zwanzig Jahren baut Pablo gemeinsam mit seinem Team den zuvor durch konventionelle Landwirtschaft ausgelaugten Boden auf und schafft geschlossene Kreisläufe am Beispiel der Natur: Bei Tierra del Sol wird ökologisches Gemüse in Mischkultur angebaut, das eigene Saatgut geerntet und fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut sowie medizinische Tees und Tinkturen hergestellt. Um die Nährstoffe dem Boden zurückzuführen werden vor Ort organische Düngemittel – vor allem Bokashi und Wurmkompost – zubereitet und auf dem gesamten Gelände werden Komposttoiletten genutzt.
In den letzten vier Jahren hat Tierra del Sol seine regenerative und ökologische Landwirtschaft nach und nach auf syntropische Agroforstsysteme umgestellt. So wurden zwischen den Gemüsebeeten nach und nach Biomassestreifen mit Bäumen und Heilpflanzen in kurvigem Keyline Design angelegt.
Durch die Möglichkeit als Freiwillige bei Tierra del Sol mitanzupacken und aus der Praxis zu lernen, konnte ich die Vorzüge syntropischer Agroforstsysteme kennenlernen. Syntropische Agroforstsysteme stellen die Funktionen für lebendige und gesunde Ökosysteme wieder her und orientieren sich am natürlichen Beispiel eines Walds als intelligenten Systems, das auf Kooperation basiert.
Zum einen steht die Kapazität Wasser im Boden zu halten im Fokus. Durch ihre Äste und Blätter zerstreuen Bäume das Regenwasser, verteilen und verlangsamen es und erhöhen durch ihre Wurzeln die Kapazität, dass Wasser in den Boden einsickern kann. Bei Tierra del Sol bestehen die Biomassestreifen aus einer Vielzahl verschiedener Baumarten, wie zum Beispiel dem dort heimischen Mesquite, dessen Wurzeln mit bis zu 70 Metern besonders tief reichen, Bananenstauden, Maulbeerbäumen, Eukalyptus und Rizinus. In syntropischen Agroforstsystemen werden für die Biomassestreifen Bäume und Sträucher ausgewählt, die schnell wachsen, viel Biomasse aufbauen und abwerfen, und zudem gut aufs Zurückschneiden reagieren. Zwischen den Bäumen wachsen Heilpflanzen wie Zitronenmelisse, Cedron oder Rosmarin. Der Boden der gesamten Anbaufläche wird stets mit Mulch bedeckt, um ihn vorm Austrocknen zu bewahren, die Bodenorganismen zu nähren und Erosion zu vermeiden.
Zum anderen nutzen syntropische Agroforstsysteme die Vorteile biologischer Vielfalt – insbesondere die Vielfalt des Bodenlebens und der mikrobiologischen Aktivität mit Würmern, Pilzen und Bakterien. Der Lernort Tierra del Sol zeigt, dass auch wir Menschen als Teil des natürlichen Kreislaufs über unsere Verdauung zum Wiederverwerten von Mineralien und durch unser Wirken – zum Beispiel durch aktives Pflanzen und Management von Ökosystemen – zur Erhöhung der Biodiversität beitragen und durch Aufforsten und das Schützen von Wasserquellen das Leben bestärken können. Anhand des Beispiels eines Waldes mit seinen verschiedenen Schichten, gilt es bestmöglich die lokal vorhandene Sonnenenergie zu nutzen und diese durch Fotosynthese in Nahrung umzuwandeln und gleichzeitig durch die Vegetation die Temperatur zu regulieren. Dank der syntropischen Agroforstsysteme bei Tierra del Sol gibt es auch in der Mittagshitze Schatten und kühlere Temperaturen unter den Bäumen. Bei der Arbeit von Hand statt mit motorisierten landwirtschaftlichen Maschinen habe ich dieses Mikroklima besonders zu schätzen gelernt und konnte dabei die Vielfalt an Insekten und Vögeln bestaunen. So zum Beispiel den Anblick einer grünen Biene oder eines jungen Kolibris.
Meine Erfahrungen bei Tierra del Sol haben mir gezeigt, dass es möglich ist, den Wasserkreislauf zu regenerieren. Da es zum Aufhalten der Klimakrise aber nötig ist, wieder mehr Wasser im gesamten Flusseinzugsgebiet zu halten und das Grundwasser aufzufüllen, arbeitet Pablo nun gemeinsam mit lokalen Gemeinden und Akteur:innen aus der Region daran, die negativen Auswirkungen der Dürre durch Agrarökologie anzugehen. Das Projekt gibt mir sehr viel Hoffnung.
Kontakt
Das Team von Tierra del Sol bietet Führungen und Kurse an und es gibt die Möglichkeit als Freiwillige:r mitzuarbeiten.
Website: https://tierradelsol.org.mx/web/
Instagram: @tierradelsol.oaxaca
Autorin
Mit dem Wunsch zu verstehen, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, hat Julia Steinhauer im Bachelor Internationale Beziehungen studiert. Um Lösungen für die die Herausforderungen unserer Zeit zu finden, studierte sie daraufhin im Master Nachhaltigkeit. Zurzeit nimmt sie am Postgraduiertenprogramm für Nachhaltigkeitskooperation des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) teil.